Es gibt zwei Coswig im Osten Deutschlands: Beide liegen an der Elbe, das eine in Sachsen-Anhalt, das andere in Sachsen bei Dresden. Auf dieser Seite hier ist das Coswig in Sachsen-Anhalt gemeint. 1841 bekam dieses Coswig einen Eisenbahnanschluss nach Dessau. In den 1930er Jahren war Coswig (Anhalt) noch hochindustrialisiert. Auch in der DDR blieb Coswig eine bedeutende Industriestadt. 1953 errichtete der erste Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden das damals größte Gipsschwefelsäurewerk der Welt mit einer Jahresproduktion von 200.000 Tonnen Schwefelsäure und 210.000 Tonnen Zement (Vgl. "Bilanz großer Erfolg - Perspektive des Sieges" Seite 44, herausgegeben von der SED, 1963).
Wasag, Chemie- und Sprengstoff-Fabrik
1891 wurde die Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff-Actien-Gesellschaft (WASAG) Chemische Fabriken gegründet. Die Fabrikation startete in Sinsen (Westfalen), dann folgten Coswig und 1893 das nahe Reinsdorf bei Wittenberg. Weitere Werke entstanden 1896 in Syrthen (Westalen) und 1936 in Elsnig bei Torgau. Reinsdorf entwickelte sich zum Hauptwerk, allerdings wurde die Produktion dort durch die Explosion der TNT-Anlagen 1935 massiv beeinträchtig und in der Folge rasch nach Elsnigk verlegt. Sitz der AG war erst Coswig, aber bereits ab 1895 Wittenberg und ab 1899 Berlin. Im Ersten Weltkrieg stieg das Produktionsvolumen immens an, hauptsächlich für die Rüstungsindustrie. Es wurden Wettersprengstoffe, Gesteinsprengstoffe, militärische Sprengstoffe, Zündstoffe und Zündmittel, des weiteren Nitrocellulose-Produkte (Filmindustrie) sowie Lichtspurmunition hergestellt. Am 14.11.1944 kam es im Werk in Coswig zu einer großen Explosion, der 92 Arbeiter zum Opfer fielen.
Zeitzeugen aus der DDR berichten für den großen Chemiekomplex an der Industriestraße, dass Schwefel zu Schwefelsäure und dann zu Düngemittel weiterverarbeitet wurde. Der Schwefel kam von der Halbinsel Kola im Nordwesten der Sowjetunion (heute Russland). Mit der Herstellung von 150 Millionen Tonnen weltweit pro Jahr ist Schwefelsäure eine der wichtigsten Chemikalien. Mehr als die Hälfte der Produktionsmenge wird zu Kunstdünger verarbeitet. Der Dünger wurde in der damals größten freitragenden Lagerhalle aus Holz zum Reifen gelagert.
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Zündholzfabrik Coswig (Anhalt)
Die industrielle Zündholzherstellung in Coswig begann 1890 mit der Anhaltischen Zündwarenfabrik Heintz & Bischof. 1923 startete die Deutsche Zündholzfabriken AG das Werk in Coswig (Anhalt).
Der Name nach dem Krieg (1939-1945) war zunächst Deutschen Zündholzfabriken AG, Werk Coswig/Anhalt. 1979 kam es zur Zusammenlegung der Zündwarenwerke in Riesa und Coswig (Anhalt) zum VEB Zündwarenwerke Riesa. Coswig und Riesa waren die Reste der ostdeutschen Zündholzindustrie, die sich einst auf zahlreiche weitere Orte erstreckte: Aken, Bad Schmiedeberg, Benneckenstein, Berlin, Dresden, Fürstenwalde (Spree), Geringswalde.
Am 17. Dezember 1992 gingen in Riesa die Lichter aus. Betriebsleiter Manfred Töpel hatte man nach 33 Arbeitsjahren bereits im Juni binnen Stundenfrist vor die Tür gesetzt. In Riesa produzierte man bis zu 2,2 Millionen Schachteln pro Tag. Doch mit der Wende kam das Ende, weil die Raucher als Hauptabnehmer dem Vorbild des Westens folgten und fortan Feuerzeuge nutzten. Die Feuerwerksproduktion stand indes durch die Billigkonkurrenz aus Fernost unter Druck. 1994 kaufte die Ad-Access Zündholz Riesa GmbH den Markennamen und etablierte sich am Mark mit Werbeartikeln inklusive Feuerzeugen.
Die DDR nutzte die kleinen Streichholzschachteln immer wieder für politische Slogans. 1968 im Zuge des Vietnam-Krieges waren zum Beispiel eine Friedenstaube und die Fahne Vietnams sowie der Schattenriss eines Vietnamesen mit geschulterter Waffe und Friedens jeweils mit dem Aufruf "Schütze den Frieden!" versehen. Für sportliche Betätigung warb derweil eine breitbeinig dastehende Frau mit Wischmopp und Schürze und dem Spruch "Sie denkt richtig. Gymnastik ist wichtig." Die Coswiger warben auch für das Pioniertreffen 1964 in Karl-Marx-Stadt und das Deutsche Turn-und-Sportfest der DDR 1969 in Leipzig. Auch für Radio DDR machten die Coswiger Reklame.
Vielen Dank an Dieter Geis für die Fotos!
Alte Fabrik
Wer weiß mehr über diese wunderschöne alte Fabrik? Bitte hier melden!
alter Lok-Schuppen des Chemiewerks Coswig
Auf dem Industriegelände des ehemaligen VEB Chemiewerk Coswig (davor Sprengstoffwerk der Wasag) und dem Zementwerk befindet sich dieser Lokschuppen, der zuletzt vom 2007 abgemeldeten Anschlussbahnbetrieb Coswig (ABC) betrieben wurde.
Getreidewirtschaft Coswig
Die Getreidewirtschaft in Coswig (Anhalt) gehörte in der DDR der 1980er Jahre zum Betriebsteil Roßlau des VEB Getreidewirtschaft Wittenberg.
DDR-Baracken in Coswig
Was war hier zu DDR-Zeiten (1949-1990)? Durch die zahlreichen Birken, die sich mit den Jahren auf den verlassenen Baracken angesiedelt haben, ist inzwischen ein echtes Kunstwerk entstanden.
Villa
Der Antonienhüttenweg 24b stand seit Herbst 2015 zum Verkauf und sollte 69.000 Euro kosten.
Luisenstraße 50 (Denkmal)
Dieses wunderschöne Anwesen an der Luisenstraße ist zwar als Baudenkmal ausgewiesen, verfällt aber und steht leer (Stand 2016).
Silo Coswig
Diese Silos befinden sich an der Bundesstraße. Hier wurde einst Zement gespeichert für die Zement-Klinker-Produktion, den man überwiegend per Bahn transportierte. Die Herstellung erfolgte nach dem Müller-Kühne-Verfahren, wo man aus einem Calciumsulfat-Ton-Kohle-Gemisch schweflige Säure und Zement herstellte. Die Anlagen wurden in den 1960er Jahren, also in der DDR, errichtet.
Bahnhof Coswig (Anhalt)
Im Herbst 1841 fuhr die erste Eisenbahn in Coswig (Anhalt). Das heutige Bahnhofsgebäude (Stand 2016) stammt von 1898.
Schloss Coswig
Das Schloss Coswig liegt wunderschön auf einer Anhöhe mit Blick über das Elbetal. Einst war es eine Bleibe für Frauen, später dann Kerkerstätte und Heim. Nach der Wende verliebte sich eine Italienerin in das Anwesen.
Betriebe in der DDR (1949-1990)
Verwechselungen mit dem sächsischen Coswig an der Elbe sind möglich.
VEB Back- und Fleischwaren Roßlau in Coswig
VEB Beton und Edelputz Coswig (Anhalt), Karl-Marx-Str. 85
VEB Chemiewerk Coswig, Roßlauer Str. (VEB Kombinat Agrochemie Piesteritz)
VEB Dienstleistungsbetrieb Coswig, Verwaltung und Komplexannahmestelle, Friedensstr. 13 (VEB Kombinat Hasuwirtschaftliche Dienstleistungen Halle)
VEB Getränkekombinat Dessau, Niederlassung Coswig, Baderstr. 25-26
VEB Getreidewirtschaft Wittenberg, Betriebsteil Roßlau, Lagerkomplex Coswig, Nordweg 4
VEB Gipsschwefelsäurefabrik II Coswig (Baubeginn 1953)
VEB Großhandel Obst Gemüse und Speisekartoffeln (OGS), Betriebsteil Coswig Konservenlager, Sebastian-Bach-Str. 36
VEB Handelskombinat agrotechnic, Betrieb Halle, Handelszentrum Coswig, Antonienhüttenweg
VEB Handelstransport Halle, Betriebsteil Bitterfeld, Einsatzstelle Coswig, Karl-Marx-Str. 68, Sebastian-Bach-Str. 36
OHG Gebr. Hillebrandt, Wittenberger Str. 29
VEB Industrieladen Kombinat Carl Zeiss Jena, Friedensstr. 1a
VEB Kali-Chemie, Stammbetrieb im Kombinat Lacke und Farben, Farbenwerk Coswig, Elbstr. 18
VEB Keramik Coswig; Betriebsteil 1 und Verwaltung, Fliet 22, Betriebsteil 2, Geschwister-Scholl-Str. 13 (VEB Kombinat Holz- und Kulturwaren Naumburg)
VEB Kohlehandel Halle, Niederlassung Wittenberg, Lager Hagendorfplatz 8
VEB Kombinat Kraftverkehr Halle, Kraftverkehr Wittenberg, Geschwister-Scholl-Str. 34, Spedition am Güterbahnhof
Konsum-Backwarenkombinat Halle, Betrieb Dessau, Betriebsteil Coswig, Baderstr. 22
Konsum-Druckerei, Heidestr. 7
Konsumgenossenschaft Kreis Roßlau
Betrieb Waren täglicher Bedarf (WtB) Coswig, Zentrale Baderstr. 22
Kraftfahrzeuginstandsetzungswerk Halle Zweigwerk Wittenberg, Betriebsstelle Coswig
VEB Kreisbaubetrieb Roßlau, Bereich Coswig
VEB Lack- und Druckfarbenfabrik Coswig (VEB Kombinat Farben und Lacke)
VEB Lederfabrik Coswig (VEB Kombinat Kunstleder und Pelzverarbeitung)
VEB Metallweberei Raguhn, Betriebsteil Coswig, Str. d. DSF 54
VEB Minol, Tankstelle, An der F 187
Molkereikombinat Dessau eG d. VdgB, Karl-Marx-Str. 83
VEB Rationalisierung Elektro und Stahlbau Halle, Betrieb Rohrleitungsmontagen Coswig, Puschkinstr. 68
VEB Tierzucht Halle
VEB Vereinigte Zellstoff- und Papierfabriken Merseburg, Werk II Coswig (Anhalt)
VEB Zellstoffwerk Philipp Müller Coswig
VEB Zündwarenwerke Riesa, Betriebsteil 2 Werk Coswig (Anhalt), Geschwister-Scholl-Str. 39-41 (VEB Zündholzwerk Coswig/Anhalt)
DZA Werk Coswig Anhalt (Zündholzhersteller, Sicherheitszündhölzer)
Carl Enke & Co. KG Spezialfabrik für Pumpen und Gebläsemaschinen mit staatlicher Beteiligung
GHG Haushaltwaren, Nordweg 1
LPG Ernst Thälmann Düben, Hermann Hagendorf, Lenin Cobbelsdorf, Pflanzenproduktion Cobbelsdorf-Flämming Bereich II
PGH Blindenhandwerk, Friseurhandwerk Ihr Friseur, Holzverarbeitendes Handwerk, Malerhandwerk, Ofensetzerhandwerk 1. Mai, Tischlerhandwerk
Wirtschaft und Leben in Coswig vor 1945
(Durch Umfirmierungen kann es sich teilweise auch um dieselben Unternehmen handeln. Außerdem sind Verwechslungen mit dem sächsischen Coswig an der Elbe möglich.)
A. Bischof AG, Coswig (Holzverarbeitung)
Anhaltische Tonwerke A. Wilkendorf in Coswig
Anhaltische Zündwarenfabrik Heintz & Bischof, Coswig (1921 Verkauf an die Firma Stahl & Nölke AG in Kassel)
Aug. Opitz Aktiengesellschaft Coswig-Anhalt (Dampfsäge- und Hobelwerke, seit 1922 AG, 1926 liquidiert)
Buchhandlung Otto Giese
Chemische Fabrik Coswig-Anhalt GmbH (gegr. 1902)
Deutsche Zündholz-Fabriken AG Coswig (DZA)
Fr. Feuerherd & Co. (Tonwarenfabrik, Kunsttöpferei, Chamottewaren- und Steinzeugfabrik)
Kieselgurwerke der Firma Rheinhold und Co. in Coswig-Klieken (Zweigbetrieb der Vereinigte Norddeutsche und Dessauer Kieselgurwerke Rheinhold Co. in Celle, Verwendung zur Produktion von Isolations- und Saugmaterial, Zulieferer der Degesch für die Herstellung des Giftgases Zyklon, Gebäude 1997 abgerissen, Kieselgur-Lager war schon Anfang des 17. Jahrhunderts bekannt)
Kokosteppichfabrik Stevens & Co. KG Coswig
Papier-Fabrik Louis Fiedler, Coswig-Anhalt (1900-1931)
Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff-AG Chemische Fabriken (gegr. 1891, WASAG)
Wilhelm Gorre Buchdruckerei Coswig
William Köcher Drahtweberei Coswig
Eintrag im Brockhaus-Lexikon von 1894
An der Elbe und der Linie Wittenberg-Cöthen-Aschersleben der Preußischen Staatsbahnen.
Post zweiter Klasse, Telegraph. Fabrikation von Zündwaren, Tuch, Papier, Pappe, Gips und Ocker, Töpferwaren und Ziegeleien. In der Nähe das schön gelegene Friederikenbad mit schwefelwasserstoffhaltiger Quelle. Gleichnamiger Ort in Sachsen.
Eintrag im Volks-Brockhaus von 1936
zwei Häfen; Industrie: Töpfer, Zündhölzer, Papier; Schwefelbad.
Quellen
buro-klieken.de
picclick.de