Peenemünde (Mecklenburg-Vorpommern)

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Bilder ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 07.12.2022

An der Mündung des Flüsschens Peene liegt Peenemünde, ein kleiner Ort, der in Zuge seiner Geschichte wiederholt die Macht des Militärs erlebte. Prominentester soldatischer Gast am Ort war der schwedische König Gustav II. Adolf. In der NS-Zeit wurde Peenemünde zum Sperrgebiet für den Bau von Fernlenkraketen. Nach Kriegsende 1945 nutze erst die Rote Armee (Sowjetunion) das Areal, dann übernahmen Marine- und Fliegerverbände der Nationalen Volksarmee (NVA).

Raktenfabrik der Nazis

Waffenschmiede Peenemuende, Foto: Martin Schramme Waffenschmiede Peenemuende, Foto: Martin Schramme

Zur Erprobung revolutionärer Raketentechnik für den Missbrauch als Vergeltungswaffe wählten die Nazis die Ostsee-Insel Usedom. Das Örtchen Peenemünde erregte wegen seiner Lage besonderes Interesse.

Robert Lusser und Willy A. Fiedler konstruierten die Fernbombe Fi 103 und entsprachen damit der NS-Führung, die nach einer Flügelbombe ähnlich einem Flugzeug verlangte. So entstand der erste Marschflugkörper der Welt. In Peenemünde befassten sich Wernher von Braun und weitere bedeutende Raketenforscher und -entwickler mit Aggregaten, dessen Variante A 4 als V 2 (Vergeltungswaffe 2) bekannt werden sollte.

Trotz größter Geheimhaltung seitens der Deutschen hatten die Engländer bei Aufklärungsflügen mit Spitfire-Maschinen Ende 1942 Kenntnis von dem Rüstungsprojekt bekommen. Dabei hatte das Reichsluftfahrtministerium in Berlin erst im Juni 1942 jenen Auftrag vergeben, der zur Entwicklung der V 1 (Fieseler Fi 103) führte und der erste Test eine V 2 (Aggregat 4) war im März 1942 erfolgt. Peenemünde war jedoch bereits seit 1937 schrittweise ausgebaut worden.

Mit einer "A 4 Fibel" brachte man die Neuigkeit des Aggregats 4 (V 2) auf rund 150 Seiten unter die Leute. Gleich vorweg war eine unmissverständliche Warnung zu lesen: "Der ganze Stoff von dem A 4 ist gKdos., das merke Dir! Wer drüber spricht, begeht Verrat, er schadet sich und auch dem Staat!" Weiter erfuhr der Leser in einer Ausgabe von 1944, dass die Rakete 14 Meter lang ist, ein Abschussgewicht von 12,5 Tonnen hat, etwa 300 Kilometer weit fliegt und mit 800 Meter pro Sekunde auf dem Boden aufschlägt. Etwa eine Minute nach Abflug erreiche die Rakete ihre Maximalgeschwindigkeit von 5400 Kilometer in der Stunde, also mehr als 4-fache Schallgeschwindigkeit. Dann werde das Triebwerk abgeschaltet und die Rakete zu einem Geschoss. Das Aggregat fliege von Eisenach nach Berlin in 5 Minuten. In der Fibel geht es auch um die Stoffe, die für den Antrieb der Rakete notwendig sind: A- und B-Stoff, P-Stoff sowie T- und Z-Stoff - gitige und äzende Substanzen. Die volkstümlich aufbereitete Lektüre berichtet weiter von den notwendigen Vorbereitungen und Abläufen: in die Feuerstellung fahren, aufrichten, betanken, abschießen. Die Ausrichtung der Rakete erfolgt mit zwei Richtkreiselkollimatoren.

Damit die Rakete brauchbar ist, muss sie mit maximal 40 kmh und auf ebenen Straßen behutsam gefahren und das Triebwerk durch Planen gegen Staub und Feuchtigkeit geschützt werden. Für wichtige Funktionen braucht die Rakete Strom, der aus einer 27-Volt-Bordbatterie und einer 50-Volt-Kommandogeberbatterie kommt. Abschuss, Flugsteuerung und Sprengstoffzündung bei Aufschlag - alles das geht beim Aggregat 4 mit Strom. Um die Geschwindigkeit der Rakete bestimmen zu können, ist ein Frequenzverdoppler eingebaut. Alle Fakten und Vorgänge zum Betrieb der neuen Waffe sind in der Fibel in allen Einzelheiten aufgeführt.

Das Deutsche Reich fertigte rund 30.000 V 1-Raketen, von denen geschätzt 22.000 zum Einsatz kamen. Weil die V 1 im Kampf gegen England militärisch weniger brachte als erhofft, wurden am Ende weniger V 1 produziert, als ursprünglich geplant.

Zahlreiche mehr oder weniger zerstörte, verfallene oder erhaltene Bestandteile war im Jahr 2022 noch in Peenemünde zu finden: Bunkerwarte, Sauerstoffwerk, Flugplatz, KZ Arbeitslager Karlshagen 1, Bahnsteig Werk Ost, Hauptwache, Fernheizungssystem, Verladerampe, Wohnsiedlung, Luftschutzbauten, Bahnhof Karlshagen Siedlung, Lager Trassenheide, Klärwerk, Bunkeranlagen, Schöpfwerk, Messturm auf Insel Ruden und der Prüfstand VII.

Betriebe in der DDR (1949-1990)

Wirtschaft in Peenemünde vor 1945
Bernsteinbergwerk (Tagebaubetrieb von 1835 bis 1880)

Quellen
museum-peenemuende.de