Türkei: Istanbul und Konstantinopel

Artefakte - Denkmale der Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Bilder ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 05.10.2023

Istanbul hieß bis 1930 Konstantinopel (Constantinople), befand sich wie das alte Rom auf sieben Hügeln, war die Hauptstadt des Osmanischen Reiches und nicht nur wegen der weltbekannten Hagia Sophia auch ein religiöses Zentrum, das damals noch eindeutig von Christen dominiert wurde. 1875 bekam die Stadt ihre erste Untergrundbahn (Tünel) und war damit nach London die zweite Stadt in Europa und weltweit mit einer Metro. Die Lage am strategisch wichtigen Bosporus, einer Meerenge zwischen Marmara-Meer und Schwarzem Meer, beschert der Stadt einen regen Schiffsverkehr. Um 1900 hatte Konstantinopel kaum eine Millionen Einwohner, 1990 waren es dreimal so viele Menschen. Stand 2022 ist die Metropole, die teils in Europa, teils in Asien liegt, auf rund 16 Millionen Menschen geradezu explodiert und gilt als die größte Stadt Europas. Istanbul ist erdbebengefährdet und die Behörden der Stadt klären die Bevölkerung auch aber die Möglichkeit von Tsunamis (Monsterwellen) auf.

Brauerei Société Anonyme Brasserie Bomonti Constantinople (gegr. 1890)

Bomonti-Brauerei Constantinopel, Foto: Martin Schramme, 2022 Bomonti-Brauerei Constantinopel, Foto: Martin Schramme, 2022 Bomonti-Brauerei Constantinopel, Foto: Martin Schramme, 2022 Bomonti-Brauerei Constantinopel, Foto: Martin Schramme, 2022 Bomonti-Brauerei Constantinopel, Foto: Martin Schramme, 2022 Bomonti-Brauerei Constantinopel, Foto: Martin Schramme, 2022 Bomonti-Brauerei Constantinopel, Foto: Martin Schramme, 2022 Bomonti-Brauerei Constantinopel, Foto: Martin Schramme, 2022

1890 gründeten die Brüder Bomonti aus der Schweiz in Konstantinopel die Bierbrauerei S. A. Brasserie Bomonti. Es war die erste moderne Bierfabrik im Osmanischen Reich. 1902 verlegten sie ihr Unternehmen an dem Ort, der auf den Fotos zu sehen ist. Die Brauerei produzierte Export-, Lager- und Flaschenbier. Bekannt war Bier bereits den alten Sumerern. Sie gärten Bier aus Brot und nannten das Gebräu Kasch. Das soll vor bereits rund 6000 Jahren passiert sein.

Nach Jahren des Leerstandes sanierte man die alten Brauereigebäude. Ein Teil des Objektes fiel jedoch der Abrissbirne zum Opfer, weil die Direktion für religiöse Angelegenheiten in der Türkei, kurz Diyanet, dort eine Moschee zu errichten gedachte.

Haydarpasa-Silos

Haydarpasa-Silos, Foto: Martin Schramme, 2022 Haydarpasa-Silos, Foto: Martin Schramme, 2022 Haydarpasa-Silos, Foto: Martin Schramme, 2022 Haydarpasa-Silos, Foto: Martin Schramme, 2022 Haydarpasa-Silos, Foto: Martin Schramme, 2022

Neben dem neuen Bahnhof in Kadiköy entstanden 1905 auch einige Silos, um bis zu 5.000 Tonnen Weizen und andere Getreidearten lagern zu können. Die Actien-Gesellschaft für Beton- und Monierbau aus Berlin führte den Bau der Stahlbetonkonstruktion zwischen Marmarameer und Englischem Friedhof aus. Der Bedarf wuchs offenbar rapide, denn bereits im Jahr 1907 erweiterten die Betreiber die Siloanlage um weitere 10.000 Tonnen. Den Silos fügte man Bahngleise hinzu und band diese in die Gleise des benachbarten Bahnhofs der Anatolischen Eisenbahn (Baghdad-Bahn) ein. Die Kapazität wurde bis zur Schließung der Anlage im Jahr 2005 wiederholt erweitert.

Im Jahre 1903 war der Hafen mit einem Kran und 2400 Tagestonnen Weizen in Betrieb gegangen. Das entsprach einer Jahreskapazität von 876.000 Tonnen. In den 1990er Jahren lag dieser Wert bei etwa 5 Millionen Tonnen. Seit 2005 ruht der Betrieb. Die Anlagen sind zunehmend verwaist und dem Verfall preisgegeben. Die Behörden erfassten das Objekt zwischenzeitlich als Kulturerbe. Gleichwohl gibt es offenbar Überlegungen, das Areal in Privathand zu geben und sieben bis zu 300 Meter hohe Gebäude zu erreichten. Angesichts der anhaltenden Bevölkerungsexplosion am Bosporus und der strategisch günstigen Lage erscheinen derlei Vorhaben sehr verlockend. Für die historische Stadt freilich wäre das ein Desaster.

T. M. D. Ofis Çiftçinin Karagün Dostudur
Link zu weiteren Bildern der alten Speicheranlagen
noch ein Bericht

Vlora Han (Jugendstil)

Jugendstilhaus Vlora Han, Foto: Martin Schramme, 2022 Jugendstilhaus Vlora Han, Foto: Martin Schramme, 2022 Jugendstilhaus Vlora Han, Foto: Martin Schramme, 2022 Jugendstilhaus Vlora Han, Foto: Martin Schramme, 2022

In den altstädtischen Arealen sind einige Bauwerke im Stile des Jugendstil zu finden. Zu den prominentesten gehört das Vlora Han. Stand 2022: Seit Jahren gibt es Streit um den Denkmalschutz des Hauses und die Rettung der außergewöhnlichen Architektur.

Raimondo Tommaso D’Aronco (1857-1932), Jugendstil-Architekt aus Italien, war Chefarchitekt von Abdülhamid II., dem Sultan des Osmanischen Reiches, und gilt als Erneuerer Konstantinopels (Istanbuls) nach dem Erdbeben von 1894. Das Beben mit einer Stärke von 7,0 ereignete sich am 10. Juli kurz nach Mittag. Mehr als 150 historische Gebäude oder Gebäudekomplexe in der Altstadt, Galata und in Eyüp waren betroffen. 40 Gebäude fand man nach dem Beben komplett zerstört. Massive Schäden verzeichnete man auch an Objekten von Wirtschaft, Verwaltung, Polizei und Armee. Es gab viel zu tun und da war D'Aronco sehr willkommen, zumal er den aktuellen Stil des westlichen Europas mitbrachte, der im nach Modernisierung strebenden Osmanischen Reich auf große Interesse stieß.

Die Namen für den Baustil der Jahre 1890 bis 1914 waren verschieden. In Deutschland sprach man von Jugendstil, in Frankreich von Art Nouveau, in Italien vom Stile Liberty und in England vom Modern Style. Mit der Vorliebe für geschwungene Formen, Ornamente und Darstellungen aus der Pflanzen- und Tierwelt traf der Jugendstil gewiss auch den Nerv des orientalischen Architekturverständnisses, das alle diese Elemente bereits seit Jahrhunderten zelebrierte.

Camondo-Treppe in der Straße der Banken (Art Nouveau, um 1875)

Kamondo-Treppe im Stil des Art Nouveau, Foto: Martin Schramme, 2022 Kamondo-Treppe im Stil des Art Nouveau, Foto: Martin Schramme, 2022 Kamondo-Treppe im Stil des Art Nouveau, Foto: Martin Schramme, 2022 Kamondo-Treppe im Stil des Art Nouveau, Foto: Martin Schramme, 2022

Ende des 15. Jahrhunderts verließ die jüdische Familie Camondo Spanien und zog nach Venedig. Das Spanische Edikt von 1492 zwang alle Juden, Kastilien und Aragon zu verlassen, die nicht zum Katholizismus zu konvertieren gedachten. Die Familie erlangte einiges an Ansehen, floh aber 1798 erneut. Diesmal, weil Österreich Venedig besetzte. Diesmal verschlug es die Camondos nach Konstantinopel, also das heutige Istanbul. In der Hauptstadt der Osmanen lebten sie in Galata. Sie betätigten sich unter diversen Restriktionen als Kaufleute und gründeten 1802 eine Bank, die Isaac Camondo & Cie.

Die Camodo-Treppe befindet sich im ehemaligen Finanz- und Geschäftszentrum Konstantinopels und gehört heute zu den Touristenattraktionen. Als Erbauer gilt Abraham Salomon Camondo.

Hagia Sophia

Hagia Sophia, Foto: Martin Schramme, 2022 Hagia Sophia, Foto: Martin Schramme, 2022 Hagia Sophia, Foto: Martin Schramme, 2022 Hagia Sophia, Foto: Martin Schramme, 2022 Hagia Sophia, Foto: Martin Schramme, 2022 Hagia Sophia, Foto: Martin Schramme, 2022 Hagia Sophia, Foto: Martin Schramme, 2022 Hagia Sophia, Foto: Martin Schramme, 2022 Hagia Sophia, Foto: Martin Schramme, 2022 Hagia Sophia, Foto: Martin Schramme, 2022

Bei Kaiser Nero verfolgte und verbrannte man die Christen noch, Kaiser Konstantin aber vollzog eine 180-Grad-Wende und machte das Christentum zur Staatsreligion. Als Symbol dieser Zeitenwende ließ Konstantius eine Basilika errichten, die überwiegend aus Holz bestand. Doch mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches auch im Ostteil mit der Hauptstadt Byzantium (Nova Roma), später Konstantinopel, heute Istanbul, kam es wiederholt zu Unruhen, die zur fast totalen Zerstörung der Basilika führten. Kaiser Justinian versuchte, die Macht der Reiches wiederherzustellen, indem er die Reste der alten Basilika abreißen und an ihrer Stelle einen steinernen Prachtbau errichten ließ: die Hagia Sophia (Heilige Weisheit). In den Jahren 532 bis 537 wuchs in Konstantinopel ein gigantischer Dom, dessen Kuppel bis zur Übergabe der Kathedrale Santa Maria del Fiore 1436 in Florenz die größte Kuppel der Welt war. Allerdings machte eben jene Kuppel zunächst Probleme. Erdbeben in den Jahren 553, 557 und 558 interließen Risse und Zerstörungen. Grund war die zu flache Konstruktion. Kaiser Justinian veranlasste sofort den Neubau der betroffenen Dachteile nach entsprechenden, architektonischen Korrekturen. Mit dem Bau der Hagia Sophia waren 10.000 Menschen beschäftigt. Materialien kamen aus allen Teilen des Reiches. Am Ende erstrahlte das mit weißem Marmor verkleidete und in Teilen vergoldete Bauwerk über die ganze Stadt. Zum Zentrum der Macht gehörte auch ein Hippodrom in unmittelbarer Nachbarschaft.

Zisterne

Zisterne zur Wasserversorgung der Stadt am Bosporus, Foto: Martin Schramme, 2022 Zisterne, Foto: Martin Schramme, 2022 Zisterne, Foto: Martin Schramme, 2022 Zisterne, Foto: Martin Schramme, 2022

Die Versorgung mit Wasser war für Byzantium (Byzanz), später Konstantinopel, von strategischer Bedeutung. Um den Bedarf zu sichern, baute man einen Aquädukt und legte etliche Zisternen an.

Kopfbahnhof Sirkeci - Endstation Orient-Express

Endstation Konstantinopel des Orient-Expresses, Foto: Martin Schramme, 2022 Endstation Konstantinopel des Orient-Expresses, Foto: Martin Schramme, 2022 Endstation Konstantinopel des Orient-Expresses, Foto: Martin Schramme, 2022

Eisenbahn- und Krimifreunde kennen den Orientexpress. Die luxuriöse Eisenbahnverbindung bestand seit 1883 zwischen Paris und Konstantinopel, die allerdings erst seit 1890 durchgängig auf der Schiene bestand. Die Züge verkehrten unter anderem über München, Wien, Budapest, Belgrad und Sofia. London bekam etwas später als Paris ebenfalls einen Anschluss an die Strecke. Der letzte Zug zwischen Paris und Istanbul verkehrte 1977. Als Luxuszug war der Orient-Express bis 1951 unterwegs. Die Initiative für das Projekt ging auf den belgischen Ingenieur und Geschäftsmann Georges Nagelmackers (1845-1905) zurück. Der Sirkeci Bahnhof (siehe Fotos) war der Endbahnhof des legendären Orient Expresses.

Dampflok der Orientbahn

Orientbahn, Foto: Martin Schramme, 2022 Orientbahn, Foto: Martin Schramme, 2022 Orientbahn, Foto: Martin Schramme, 2022

Die Orientbahn betrieb Ende des 19. Jahrhunderts im Westen des Osmanischen Reiches Bahnstrecken unter anderem zwischen Konstantinopel (Istanbul), Edirne, Alexandroupoli sowie zwischen Thessaloniki und Skopje. Zu ihrem Fuhrpark gehörte auch die vor dem Sirkeci-Bahnhof ausgestellte Dampflok, ein deutsches Fabrikat der Firma Krauss & Cie Locomotivfabrik München, patentiert 1874.

Tünel (Metro, seit 1875)

Tuenel, Foto: Martin Schramme, 2022 Tuenel, Foto: Martin Schramme, 2022 Tuenel, Foto: Martin Schramme, 2022 Tuenel, Foto: Martin Schramme, 2022

Die Metro von Istanbul ist die zweitälteste Metro der Welt. Die Untergrundbahn nahm 1875 den Betrieb auf. Für die Türken ist es ein Tunnel und so nennen sie die Bahn Tünel. Das Bauwerk geht auf Eugene Henri Gavand, einen Ingenieur aus Frankreich, zurück. 1867 kam er nach Konstantinopel und beobachtete, dass die Menschen zwischen dem Zentrum des sozialen Lebens (Pera) und dem Herz von Handel und Banking (Galata) hin und her strömten. Genau für diese Strecke schlug er Sultan Abdülaziz Han eine moderne technische Lösung vor. Wegen des Kriegs zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich verstrich jedoch noch etwas Zeit bis zur Vollendung des Projekts. Gavand gründete dafür in England die Firma Metropolitan Railway of Constantinople. 2022 wurden die Bahnen Tünel und die historische Straßenbahn in Pera von der IETT (Istanbul Elektrische Straßenbahn und Tunnel) betrieben, die das Unternehmen 1939 übernommen hatte. Bis heute hat der Tünel seine Fans, so dass im Jahr 2017 ein historischer Plan von 1876 beim Auktionshaus Sothebys (gegr. 1744) für umgerechnet rund 5000 Euro versteigert wurde.

Historische Tramway in Pera

Tramway in Konstantinopel Istanbul, Foto: Martin Schramme, 2022 Tramway in Konstantinopel Istanbul, Foto: Martin Schramme, 2022

1871 begann das Straßenbahnzeitalter in Konstantinopel mit einer Pferdebahn auf vier Strecken: Azapkapı- Galata, Aksaray - Yedikule, Aksaray - Topkapi und Eminönü - Aksaray. Ab 1912 stellte man die Tramway auf Elektrobetrieb um. 1923 bestand das Bahnnetz aus 12 Linien. Die historischen Tramwagen rollten bis in die 1960er Jahre. Heutzutage können Nostalgiefans mit einem historischen Bahnwagen zwischen Tünel-Platz und Taksim-Platz verkehren. Dieser Service wurde 1990 reaktiviert.

Basilika St. Antonius

Basilika St. Antonius, Foto: Martin Schramme, 2022 Basilika St. Antonius, Foto: Martin Schramme, 2022 Basilika St. Antonius, Foto: Martin Schramme, 2022

Die Franziskaner kamen im Jahr 1221 nach Konstantinopel und etablierten sich dort mit verschiedenen Kirchen und Wohnplätzen. 1724 widmeten sie dem heiligen Antonius von Padua einen Kirchenneubau in Pera. 1904 musste dieses Bauwerk einer Straßenbahntrasse weichen. Man fand einen neuen Bauplatz an eben jener Trasse. Die Bauarbeiten zogen sich von 1906 bis 1912. Papst Pius XI. hob die Kirche in den Rang einer Basilika. Doch nicht er, sondern sein Nachfolger, Angelo Giuseppe Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., bekam die Ehre, als Statue vor dem Eingang verewigt zu werden. Roncalli galt als bescheiden und volksnah, was seiner Herkunft als eines von 13 Kindern einer armen Bauernfamilie entsprach.

Gaswerk

Gaswerk Gasometer, Foto: Martin Schramme, 2022 Gaswerk Gasometer, Foto: Martin Schramme, 2022

Als 1855 der Bau des Dolmabahçe-Palasts abgeschlossen war, hatten die Bauleute unweit des Palasts auch ein Gaswerk fertiggestellt. Das Gaswerk lieferte zunächst für die Illumination des Prachtbaus Leuchtgas.

Aquädukt

roemische Wasserleitung in Istanbul, Foto: Martin Schramme, 2022 roemische Wasserleitung in Istanbul, Foto: Martin Schramme, 2022 roemische Wasserleitung in Istanbul, Foto: Martin Schramme, 2022 roemische Wasserleitung in Istanbul, Foto: Martin Schramme, 2022 roemische Wasserleitung in Istanbul, Foto: Martin Schramme, 2022 roemische Wasserleitung in Istanbul, Foto: Martin Schramme, 2022

Rund 800 Meter gibt es noch von der gigantischen Wasserleitung, die zu Zeiten des Oströmischen Reiches errichtet wurde und Wasser vom Belgrader Wald bis zur Brunnenanlage am Beyazıt Platz leitete. Trotz zahlreicher Angriffe gegen die Anlage und diverser Erdbeben gingen bis heute nur etwa 200 Meter des Bauwerks verloren. Ein Grund dafür ist auch, dass die Osmanen den antiken Aquädukt im 17. Jahrhundert restaurierten.

Deutsche Orientbank AG

Deutsche Orientbank AG, Foto: Martin Schramme, 2022

Hintergrund für die Gründung war der Versuch des Deutschen Kaiserreiches, seinen Einfluss im Nahen Osten auszuweiten. Dabei spielte die Bagdadbahn, maßgeblich finanziert von der Deutschen Bank, eine wichtige Rolle. Mit der Gründung der DOB versuchte die Dresdner Bank der Deutschen Bank im Nahen Osten Konkurrenz zu machen. Die DOB hatte Filialen u. a. in Hamburg und Konstantinopel.

Haydarpasa Gari (Bahnhof im asiatischen Teil Istanbuls)

Haydarpasa Gari, Foto: Martin Schramme, 2022 Haydarpasa Gari, Foto: Martin Schramme, 2022

Die deutsche Firma Philipp Holtzmann errichtete den Kopfbahnhof und platzierte ihn auf der asiatischen Seite des Bosporus in Kadiköy. Im August 1908, im dritten Jahr nach Baubeginn, ging das Wilhelminische Bauwerk in Betrieb und war fortan der Ausgangspunkt für die Anatolische Eisenbahn. Der Eisenbahnbau war ein Folgegeschäft mit dem Deutschen Reich, nachdem es das Osmanische Reich mit Waffen versorgt hatte. Das Material für die Anatolische Eisenbahn kam komplett aus Deutschland. Beteiligt waren Firmen wie Krupp, Krauss, Maffei, Hanomag, Borsig und Henschel. Vom Haydarpasa Gari fuhren schließlich Züge bis nach Syrien, dem Irak und Iran. Ein Dachbrand Anfang 2010 war der Anfang vom vorläufige Ende des Bahnhofs. Zwei Jahre später stellte man den Fernverkehr ein. Im Herbst 2019 gab es Pläne, den Bahnhof zu reaktivieren. Im Sommer 2022 ruhte der Bahnverkehr im historischen Bauwerk weiterhin auf unbestimmte Zeit. Vielmehr hatte man 2017 im Gleisbereich der Bahnhofszufahrt damit begonnen, die antike griechische Stadt Chlakedon auszugraben.

Bemerkenswerter Altbau In Kadiköy (Baujahr 1915)

bemerkenswerter Altbau in Kadikoey, Istanbul Asien, Foto: Martin Schramme, 2022 bemerkenswerter Altbau in Kadikoey, Istanbul Asien, Foto: Martin Schramme, 2022

Bei diesem augenscheinlich deutsch, vielleicht schweizerisch angehauchtem Objekt handelt es sich um das Herrenhaus von Otto Ritter von Kühlmann und Hellmuth Cuno, deren Wirken in Konstantinopel mit dem Kopfbahnhof Haydarpasa verbunden ist. Der Advokat von Kühlmann kam 1872 ins Osmanische Reich und arbeitete anfangs als Direktor der Orientbahn (später Orient-Express), dann als Direktor der Anatolischen Eisenbahn und schließlich als Chef beider Eisenbahnen. Cuno kam 1904 mit einer Architektenausbildung in der Tasche und zeichnerischem Talent zum Baugiganten Philipp Holzmann in Frankfurt/Main. 1905 ging er nach Moda bei Konstantinopel (Asien), heute ein angesagtes Künstlerviertel in Istanbul. Sei Auftrag: die Anatolische Eisenbahn bauen. 1914 kehrte er nach Frankfurt zurück, wo er in höchste Ebenen des Baukonzerns aufstieg. Ab 1903 hatte Holzmann bereits die Bagdadbahn gebaut.

Wirtschaft in Constantinople bzw. Istambul/Istanbul vor 1945
Benhaim, Palacci & Cie Quincaillerie et Divers Marpoutchilar, Barnathan Han
Compagnie des Cristalliers de St. Louis Aktiengesellschaft, größte deutsche Glasfabrik, Niederlagen und Musterläger in Cairo, Konstantinopel, Teheran, Buenos-Ayres, Berlin, Hamburg, London, Paris, New York (gegr. 1767 in Münzthal-St. Louis in Lothringen, Kristallglasprodukte aller Art)
Cie. des Eaux de Constantinople S.A. Ottomane, Wasserversorgung (Ende des 19. Jahrhunderts liquidiert)
Compagnie des Eaux de Skutari et Kadi-Keui á Bale Société Anonyme (Schweizer Unternehmen zum Bau einer Wasserversorgung im asiatischen Teil Konstantinopels, gegr. 1890, 1905 reorganisiert als Compagnie des Eaux de Scutari et Kadikeui Société Anonyme Ottomane)
Deutsche Orientbank AG Berlin (Doyce Oryentbank)
Geier & Co., Stamboul Konstantinopel
Isaac Camondo & Cie (gegr. 1802)
J. M. Dollinger & Dielmann, Constantinople
Kaiserlich Ottomanische Gesellschaft der Bagdadbahn (gegr. 1903 zum Bau einer Eisenbahn von Konia über Bagdad bis zum Persischen Golf)
Orient-Teppich-Aktiengesellschaft Konstantinopel, Stamboul, Rassim Pacha Han
Société d’Héraclée Société Anonyme Ottomane (gegr. 1896 zum Bau einer Eisenbahn vom Hafen in Zonguladak zur ebenfalls von der Gesellschaft betriebenen Kohlegrube von Eregli)
Société du Chemin de Fer Ottoman Jonction Salonique–Constantinople (gegr. 1892 in Paris, Eisenbahngesellschaft mit Ziel, die Strecke Thessaloniki-Alexandroupolis zu bauen und zu betreiben, strategisch wichtig für das Osmanische Reich, Bau der Verbindnung 1896 abgeschlossen, Bahnbetrieb mit militärtauglicher Ausrüstung im Auftrag und auf Kasse des Ottomanischen Staates)
Société Anonyme Ottomane Tabacs Turcs, Tabak-Handelsgesellschaft
Société Anonyme Brasserie Bomonti Constantinople (Brauerei, gegr. 1890)
Société du Chemin de Fer Ottoman Salonique-Monastir (gegr. 1891 zum Bau einer Bahnstrecke von Salonique nach Monastir)
Société Immobilière Ottomane de Constantinople (gegr. 1914, Ziel der Gesellschaft war der Aufbau von Infrastruktur sowie der Bau von Häusern in Taksim, Istanbul und auf dem Land in Talimhae)
Société Minière Anonyme Ottomane de Karassou (gegr. 1892 zum Betrieb von Blei- und Zinkbergwerken im Großraum Izmit bei Istanbul)
Société Ottomane des Allumettes (Betreiber der älteste Zündholzfabrik des Osmanischen Reiches)
Tramways & Electricite de Constantinople Société Anonyme

Eintrag im Brockhaus von 1894
Großindustrie fehlt fast völlig; wichtig sind Dampfmühlenbetriebe, Fesfabrikation, Tabakindustrie, Gießerei, Druckerei und die Kaiserlichen Werkstätten und Werften für Heer und Flotte. Dagegen ist das Kleingewerbe hoch entwickelt. Den einzelnen Handwerken sind meist bestimmte Straßen gewidmet; beständiger Markt findet vor den Moscheen statt und hier herrscht noch ein echt orientalisches Leben und Treiben. Im Großhandel spielen Griechen, Armenier und spanische Juden eine wichtigere Rolle als die Türken. Konstantinopel ist infolge seiner Lage am Kreuzungspunkt der Wege von Rußland nach dem Mittelmeer und der Karawanenstraße von Vorderasien nach Osteuropa von jeher ein Welthandelsplatz gewesen. Doch scheint es, falls nicht die kleinasiatische Bahn neues Leben bringt, an Bedeutung zu verlieren, seitdem Syrien, Arabien, Südpersien direkte Schiffsverbindung nach Südeuropa erhalten und Rußland sich in Centralasien festgesetzt hat. Auch seine Rolle als Stapelplatz der Balkanhalbinsel ist durch die Konkurrenz von Saloniki, Dedeaghatsch und Burgas gefährdet. Wichtige Einfuhrwaren sind: Getreide und Mehl (Südrußland), Reis (Indien), Zucker (Österreich-Ungarn), Kaffee auch aus Brasilien, Petroleum, ferner Baumwollgarne und Zeuge fast nur aus England, Strumpf-Wirkwaren, Wollstoffe, Jute, Seide, Shawls, Kleider und Fes zumeist aus Österreich; ferner Eisen, Zinn, Werkzeuge, Küchengeräte, Glas (aus Belgien und Böhmen), Thonwaren, Papier zu Cigaretten aus Frankreich und Österreich, Holz und Steinkohlen. Zur Ausfuhr kommen Teppiche, etwa 160.000 Stück jährlich, aus Kleinasien, Persien, Turkestan, Mohair, namentlich nach England, Lammfelle und vor allem Schafwolle. Rosenöl, Stickereien und Filigranarbeiten sind meist einheimischen Ursprungs. Dem Verkehr in der Stadt dienen außer Wagen und Reitpferden vier Pferdebahnlinien, zwei in Stambul in den neuen Straßenzügen und zwei in Galata-Pera. Eine unterirdische zweigleisige Drahtseilbahn (700 m) führt von der Neuen Brücke unter dem Galataturm hindurch nach dem Derwischkloster Tekke in Pera hinauf. Viel genutzt sind Lokaldampfer (drei Gesellschaften), Dampffähren und die zahlreichen Ruderboote (Kaiks) zum Verkehr im Hafen und nach entfernten Stadtteilen im Bosporus, nach Kadiköi und den Prinzeninseln. Auch die Eisenbahnlinie Konstantinopel-Adrianopel (318,3 km), deren Hauptbahnhof bei der neuen Brücke liegt, dient dem Lokalverkehr nach den Stationen Kumkapu, Jenikapu und Psamatia bis Jedikule am Marmarameer. Im ganzen verkehrten (1892) 15.273 Schiffe mit 8,4 Millionen Tonnen im Hafen von Konstantinopel, gegen 17.850 mit 9,8 Millionen Tonnen im Jahr 1891; der Rückgang erklärt sich aus dem Verbot der Ausfuhr russischen Getreides. Neuerdings tritt der Plan, beide Ufer durch feste Überbrückung des Bosporus zu verbinden, wieder hervor.

Eintrag in Meyers Handlexikon der DDR von 1977
Größte Stadt und wichtigster Hafen der Türkei, Lebensmittel-, Baumwoll-, Woll- und Lederindustrie (Schuhe), Kupferschmelze, Autofabrik, metallverarbeitende Betriebe, Werft, Wärmekraftwerk.

Deutschland und Osmanisches Reich
Das Osmanische Reich des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts hing massiv vom Deutschen Kaiserreich ab. Die Vormacht der Deutschen konzentrierte sich auf die Ausstattung der türkischen Armee mit Waffen und Munition sowie den massiven Asubau der Eisenbahn. Krupp betrieb nahe Constantinople eine große Fabrik für Granaten und Sprengstoffe.

Anmerkung: Die erste Brücke über den Bosporus gibt es erst seit 1973. Inzwischen hat die gigantisch gewachsene Stadt Istanbul drei Bosporus-Brücken.

Begriffslegende
Fes = orientalische Kopfbedeckung
neue Brücke = heute: Galata-Brücke über dem Bosporus-Seitenarm Goldenes Horn
Tsunami = gigantische Flutwelle ausgelöst durch Seebeben

Istanbul-Extra: Erdbeben und Tsunamis
Zwischen Mittelmeer im Norden und Marmarameer im Süden Istanbuls verläuft die Zone, in der die Eurasische Platte und die Anatolische Platte aneinander reiben. Aufgrund der Scherbewegung (Begriff aus der Tektonik) zwischen den Platten bauen sich Spannungen auf, die sich durch Erdbeben entladen. Es kommt zu kleinen und großen Erdbeben. Meistens bleiben die Beben bei Werten unter 2,5 bis 3 Grad auf der Richterskala, was die meisten Menschen nicht wahrnehmen. Heftige Erdbeben mit Zerstörungen und Toten gab es entlang der Nordanatolischen Verwerfung auf einer Linie zwischen Ostanatolien und Istanbul in den Jahren 1939, 1942, 1943, 1944, 1957, 1967 und 1999. Das Zentrum der Beben verlagerte sich dabei kontinuierlich von Ost nach West. Folgt man dem gegenwärtigen Muster der Beben, ist Istanbul als nächstes dran. Der zeitliche Abstand zwischen den Beben wurde dabei immer größer. Istanbul ist überfällig und nicht nur durch ein großes Beben gefährdet, sondern auch durch einen Tsunami, weil die Nordanatolische Verwerfung unter dem Marmarameer verläuft und Seebeben Tusnamis auslösen, woran sich die Welt leidlich erinnert, wenn sie an die Seebeben 2004 im Indischen Ozean vor Indonesien und 2011 in Japan (Stichwort Fukushima) denkt. In Japan war die Flutwelle bis zu 55 Meter hoch. In der Geschichte Japans haben Tsunamis sogar Höhen von 90 Meter erreicht. Die Stadtverwaltung Istanbuls hat zahlreiche Hinweisschilder aufgestellt, welche Uferzonen im Stadtgebiet von einem Tsunami betroffen wären. Dabei handelt es sich um sehr belebte Zonen wie die Uferzonen am Goldenen Horn.

Das letzte Starkbeben in der Region war 1766. Seitdem baut sich also systematisch Spannung auf. Wissenschaftler haben im gesamten Stadtgebiet Erdbebenüberwachungstechnik installiert und gehen nach den gegenwärtigen Beobachtungen und Berechnungen davon aus, dass es bis zum Jahr 2025 zu einem Beben bis zur Stärke 7,5 sehr wahrscheinlich kommt. Am 19. Juni 2021 lieferte die Erde den Menschen am Bosporus einen kleinen Vorgeschmack mit einem spürbaren Beben der Stärke 4,2. Der erwartete Tsunami im Marmarameer wäre 3 bis 6 Meter hoch.

Quellen
bierentdecker.com
form-idea.com
gazetekadikoy.com.tr
hwph.de
istanbultarihi.ist
istanbultrip.info
laenderdaten.info
picclick.de
tarlasera.com

Links
Nostalgische Straßenbahn
Geschichte Istanbuls - Transportwesen
Basilika St. Antonius
Deutsche Orientbank
Aquaedukt von Konstantinopel