Zeithain (Sachsen)

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Bilder ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 03.12.2023

Zeithain ist ein Ort bei Riesa im Freistaat Sachsen. 1873 entdeckten die Militärs Zeithain als interessanten Truppenübungsort und Standort für die Herresmunitionsanstalt (Muna). 1941 eröffneten die Nazis im Ort das Kriegsgefangenenlager Stalag 304, in dem sie sowjetische Kriegsgefangene buchstäblich verrotten leißen.

Wasserturm in Neudorf

Wasserturm in Neudorf, Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

Der Wasserturm in Neudorf gehörte samt Wasserwerk zum Truppenübungsplatz Zeithain. Er wurde 1893/94 errichtet. 1899 wurde der Güterbahnhof Röderau direkt mit dem Truppenübungsplatz Zeithain verbunden. Seit 2011 ist das Wasserturm-Gelände von Neudorf in Privathand.

Wasserturm am Bahnhof Röderau

Foto: Martin Schramme
Wasserturm am Bahnhof Roederau, Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

Die Strecke Jüterbog-Röderau wurde ab 1848 von der Berlin-Anhaltische Eisenbahn-Gesellschaft betrieben. Über ein Gleisdreieck wurden die Züge in die Richtungen Leipzig und Dresden geteilt. Vom 1. Oktober 1848 bis zum 12. Dezember 2004 war Röderau Haltepunkt für Personenzüge. Eine Bahnverbindung zwischen dem Bahnhof Röderau und dem Truppenübungsplatz Zeithain entstand 1899.

1873 entstand in Zeithain ein riesiger Truppenübungsplatz (Tüp). Nach mehreren Erweiterungen des Militärgeländes wurde 1913 zwischen Zeithain und Röderau der Bau einer Munitionsfabrik begonnen. Ab 1919 griff der Versailler Vertrag, so dass der Tüp fortan zivil genutzt wurde bis zur Remilitarisierung 1935. 1941 entstand ein Kriegsgefangenenlager. Ab 1960 nutzte die Rote Armee (Russen) die ehemalige Munitionsfabrik als Munitionsdepot.

HO Kulturstätte Waldschlösschen

Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

Seinen Anfang nahm der Ort als Waldschlösschen Röderau. Auf einer Postkarte von 1916 ist als Besitzer Alfred Jentsch ausgewiesen. Zur NS-Zeit (1933-1945) diente das Haus als Offiziers-Casino der in Zeithain stationierten Wehrmachtseinheiten. 1956 war das Objekt noch in der Hand der Familie Jentsch. Damals wurde dort der Hundesportverein Röderau gegründet. In der DDR übernahm schließlich die HO das Regime, so dass man sich fortan in der HO Kulturstätte Waldschlößchen traf. Mitte der 1970er Jahre entstand dort der Rockschuppen, ein beliebter Wochenendtreff für Jugendliche und ein Anlaufpunkt auch für Hippies oder Blueser, wie sie in der DDR auch hießen. Von 1978 bis zur Schließung des Objektes 1991 führte Detlef Hesse den Laden. In der Zeit waren unter anderem Renft, Silly, die Bluesrock-Band und die Punkrockband Die Skeptiker (beide aus Ost-Berlin) in der Lokalität zu Gast. Immer wieder war auch der VKSK-Kreisverband der Kaninchenzüchter des Kreises Riesa im Schlösschen zu Gast. Er wollte das Objekt kaufen. Die Treuhandgesellschaft forderte allerdings, dass er alle Beschäftigten übernimmt

Kriegsgefangenenlager Stalag 304

Russenfriedhof Zeithain bei Jacobsthal, Foto: Martin Schramme, 2023 Ehrenhain Zeithain, Foto: Martin Schramme, 2023 sowjetische Kriegsgefangene bastelten unter anderem Strohpuppen, um gegen die Unterernaehrung im Lager Zeithain anzukaempfen, Foto: Martin Schramme, 2023 Goebbels 1941 in Zeithain, Foto: Martin Schramme, 2023

Erschossen, erhängt, verseucht, verhungert - Zehntausende Menschen aus der Sowjetunion, die während des Vernichtungsfeldzuges von Deutscher Wehrmacht und SS seit 22. Juni 1941 gefangenen genommen und wie Vieh auf wochen-, ja monatelangen Trecks und Transporten in das Großdeutsche Reich deportiert wurden, starben in Zeithain; die meisten an Entkräftung, weil sie entgegen aller Konventionen über den Umgang mit Kriegsgefangenen misshandelt, unterernährt, mangelhaft hygienisch und medizinisch behandelt und zur Zwangsarbeit getrieben wurden. Für irrgeleitete "Herrenmenschen" und herzlose Bürokraten waren alle Slawen rassisch "minderwertig" und bestenfalls eine Nummer in ihrer gigantischen Menschenvernichtungsmaschinerie. Allein in Zeithain bezahlten bis zu 30.000 sowjetische Kriegsgefangene diesen Umstand mit ihrem Leben. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass mehr als 900 Kriegsgefangene aus anderen Ländern in Zeithain den Tod fanden, die meisten von ihnen waren Italiener. Mahnende Erinnerung sind bis heute vier "Russenfriedhöfe: Ehrenhain Zeithain, Jacobsthal, Zschepa 1 und Zschepa 2.

In Zeithain wollte das NS-Regime seine Überlegenheit demonstrieren gegenüber den "mongolischen Horden" und "jüdisch-bolschewistischen Usurpatoren". Tatsächlich gelangten gleich zu Kriegsbeginn Sowjetmenschen in großer Zahl in deutsche Gefangenschaft. In Gegenwart ausgesuchter "Untermenschen" besuchte daher Joseph Goebbels, der "Minister für Volksaufklärung und Propaganda", das Lager am 26. August 1941. Goebbels soll nach Befragungen zu der Meinung der Gefangenen über Hitler, Stalin und die Juden überrascht gewesen sein, "dass es noch so viele menschlich aussehende Russen gibt". Auch wenn Goebbels in seinen Tagebüchern zwischen den Leiden des russischen Volkes und den Bolschewisten unterscheidet, so machte das Vorgehen der Nazis gegen die Sowjets keine solche Unterschiede.

Aufgrund der miserablen Versorgung sind nur wenige der russischen Kriegsgefangenen aus Zeithain arbeitsfähig gewesen. Doch diese Arbeitskräfte wurden in verschiedene Betriebe geschickt, sowohl in die zivile, insbesondere aber in die Kriegswirtschaft. Nach Lage der Akten bezogen unter anderem Villeroy & Boch in Torgau und Arado in Wittenberg Kriegsgefangene aus Zeithain.

Während des Totalen Krieges 1944 waren 25 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland mit Kriegsgefangenen besetzt. Die Nazis behandelten sie auf der ganzen Linie unterschiedlich. Das zeigte sich auch an der Entlohnung. Im Bergbau des Ruhrgebietes bekamen westliche Kriegsgefangene 1,68 Reichsmark, sowjetische Kriegsgefangene hingegen 40 Pfennig. Zum Vergleich: Deutsche Zivilarbeiter bekamen 8,72 Reichsmark.

Betriebe in der DDR
Stahl- und Walzwerk Riesa, Rohrwerk Zeithain (VEB Rohrkombinat "Karl Marx" Riesa)

Wirtschaft und Militär in Zeithain vor 1945
Gasthof zum Waldschlösschen, Röderau
Heeres-Munitionsanstalt Zeithain
Hotel zum Casino, Zeithain Lager (Konzert und Dielentanz)
Kaffeehaus Arno Hofmann, Röderau
Lamms Restaurant und Fabrik feiner Fleisch- und Wurstwaren
Marketenderei von Gerschner
Materialwaren Arno Klösser, Tabak, Cigarren, Cigaretten, Röderau
Munitionsfabrik Röderau

Quellen
bildung-ns-zwangsarbeit.de
picclick.de
stsg.de/cms/zeithain/startseite

Begriffslegende
Marketenderei = Versorger von Soldaten mit Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs