Geringswalde (Sachsen) - Stadt der Stühle

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Bilder ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 04.12.2022

Vom Hügelland in Mittelsachsen (die Gegend von Geringswalde) bis zum Vogtland entwickelten sich in den 1860er Jahren etliche Möbel-, Holzwaren- und Spielwarenfabriken. Für die in der holzverarbeitenden Industrie benötigten Werkzeuge entstanden mit einem zeitlichen Abstand zwei Werkzeugfabriken in Geringswalde. 1933 feierte Geringswalde 700 Jahre, 1958 waren es 725 Jahre.

VEB Vereinigte Sitzmöbelindustrie Neuhausen Werk Geringswalde (Abriss 2022)

VEB Vereinigte Sitzmoebelindustrie, Foto: Martin Schramme, 2015 VEB Vereinigte Sitzmoebelindustrie, Foto: Martin Schramme, 2015 VEB Vereinigte Sitzmoebelindustrie, Foto: Martin Schramme, 2015 VEB Vereinigte Sitzmoebelindustrie, Foto: Martin Schramme, 2015 Foto: Martin Schramme, 2015 Foto: Martin Schramme, 2015 Foto: Martin Schramme, 2015 Foto: Martin Schramme, 2015 Foto: Martin Schramme, 2015 VEB Vereinigte Sitzmoebelindustrie, Foto: Martin Schramme, 2015

Auf alten Dokumenten sind verschiedene Gründungsdaten der Ettig-Möbelfabrik zu finden. Die Zeiten schwanken zwischen 1862 bis 1864. Im Jubiläumskatalog der Geringswalder Stuhlfabrik von August Ettig von 1937 (damals feierte man 75 Jahre) fanden sich edle Sitzkreationen bis hin zum Präsidenten-Armstuhl. 1938 warb das damals noch private Unternehmen H. Ettig & Söhne, Sitzmöbel- und Tischfabriken Geringswalde in Sachsen noch mit Eittig-Söhne-Wertarbeit und grüßte Kunden im Stile jener nationalsozialistischen Zeit mit "deutschem Gruß". Tristan und Gitta, zum Beispiel, hießen Stühle aus der Möbelfabrik in Geringswalde. Im Juni 1991 erfolgte die Privatisierung gemäß Treuhandgesetz zur Geringswalder Sitzmöbelwerke GmbH.

Im Jahr 2022 ist der komplette Gebäudekomplex nach vielen Jahren des Leerstands und Verfalls abgerissen worden. Ein weiteres Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte ist damit verlorengegangen. Immerhin bleiben die Bilder.

Aussichtsturm Geringswalde

Aussichtsturm Geringswalde, Foto: Martin Schramme, 2015 Aussichtsturm Geringswalde, Foto: Martin Schramme, 2015 Foto: Martin Schramme, 2015

Zur 675-Jahr-Feier im August 1907 wurde der 25 Meter hohe König-Friedrich-August-Turm auf der Schillerhöhe (305 Meter hoch) eingeweiht. Der Chemnitzer Hans-Paul Wingen hatten den Turm entworfen.

Bahnhof Geringswalde

Bahnhof Geringswalde, Foto: Martin Schramme, 2015

Geringswalde war seit 1883 an die Nebenbahn der Strecke Waldheim-Rochlitz angeschlossen. Von der ersten Eingabe bis zur Baugenehmigung vergingen 18 Jahre (1871-1889). Der Halt Geringswalde befand sich bei Kilometer 9,41 auf einer Höhe von 255 Meter. Noch bevor die erste Eisenbahn die Strecke befuhr, wurde der Postkutschbetrieb zwischen Geringswalde und Rochlitz eingestellt. Im Zweiten Weltkrieg blieb die Strecke ohne Schaden. Der Bahnhof Geringswalde war der größte Bahnhof dieser Strecke. Seit 1. Juni 1997 fahren in Geringswalde keine Züge mehr. Im Mai 2015 waren keine Gleise mehr vorhanden, kein Tunnel und keine Gebäude mehr auf der Südseite. Die Deutsche Bahn hatte die Strecke 2011/2012 verkauft, damit eine Radtrasse entstehen könnte. Die Demontage der Gleis- und Signalanlagen erfolgte in den Jahren 2012/2013, der Bau und die Fertigstellung des geplanten Radweges verzögerte sich hingegen immer wieder.

Grohmühle Geringswalde

Foto: Martin Schramme, 2015 Foto: Martin Schramme, 2015

Die Grohmühle hat eine wechselreiche Bau- und Umbaugeschichte. 1825 begann die Geschichte mit dem Bau einer Bockwindmühle. 1881 brannte die Mühle nieder und wurde durch eine Holländermühle ersetzt. Der damalige Mühlenbesitzer Emil Hofmann begann schon bald darauf mit dem weiteren Ausbau des Objektes. 1882 sollten es Wohn- und Nebengebäude sein, 1883 Dampfkessel, Maschinenhaus und Getreidespeicher. Doch der Unternehmer übernahm sich offenbar, denn 1897 war er pleite. Pächter der Mühle wurde ab 1901 Otto Arthur Groh, dessen Name die Mühle auch im Jahr 2015 trug. Der Neue stellte 1905 von Wind auf Dampf um. Es war der Anfang eines regen An- und Umbaus während der folgenden Jahre. Die Dampfmühle wurde vergrößt, um mehr Getreide verarbeiten und Mehl lagern zu können. Groh erhöhte die Mehlniederlage, errichtete ein Kontor, ein Silo und einen Kühlturm. Auch im Jahr 2015 war noch der Gleisanschluss zur Mühle zu sehen, der 1913 hergestellt wurde. 1925 wurde Edmund Graf neuer Mühlenbesitzer. Er erlebte dann auch in der DDR die schrittweise Verstaatlichung seines Betriebes. Erst bestand eine staatliche Beteiligung, wobei ab 1960 auf die Produktion von Mischfutter für die DDR und die Sowjetunion umgestellt wurde, dann kam es 1972 verglichen mit vielen anderen Betrieben relativ spät zur entgültigen Enteignung und Überführung der Mühle in den VEB Getreidewirtschaft. Nach der Reprivatisierung ging die Produktion weiter. Allerdings mussten die Erben einen herben Rückschlag verkraften, als ein Brand 1999 die Produktionsanlagen zerstörte.

Betriebe in der DDR (1949-1990)
VEB Geri-Kleidung
VEB Geringswalder Sitzmöbel (VEB Möbelkombinat Dresden-Hellerau)
VEB Kraftfuttermischwerk Geringswalde (VEB Kombinat Getreidewirtschaft Karl-Marx-Stadt)
VEB Reichalda Kosmetik Geringswalde
VEB Sächsische Bijouterie- und Metallwarenfabrik Geringswalde (VEB (K) Sächsische Bijouteriewaren Geringswalde)
VEB Vereinigte Werkzeugfabriken Geringswalde (VEB Werkzeugkombinat Schmalkalden)
Geringswalder Stuhlfabrik von August Ettig, Geringswalde
Willy Schlimpert Brunnen- und Pumpenbau Viehtränken, Motorpumpen-Einbau, Installation von Wasserleitungen)

Betriebe vor 1945
Arno Sommer Buttergrosshandlung, Goldammer Str. 22 (gegr. 1902)
August Ettig Stuhlfabrik (gegr. 1862)
Arthur Kleiner Kolonialwaren (Spezialität: feinste gebrannte Kaffees, Kolonialwaren, Kakao, Schokoladen, Weine, Tabak, Cigarren, Südfrüchte, Delikatessen, Wild und Geflügel, größtes Lager in Fisch, Gemüse- und Früchte-Konserven)
Bauklempnerei Walter Gotthardt (Installation für Gas und Wasser)
Bruno Liebers KG, Kontor- und Schreibmöbelfabrik (gegr. 1904)
Buchdruckerei August Rauch (Anfertigung von Drucksachen aller Art, Spezialanfertigung von Zeitschriften, Prospekte, Kataloge, Durchschreibebücher)
Buchdruckerei von Ernst Beck (Anfertigung von Drucksachen aller Art in einfacher sowie moderner Ausführung, Geringswalder Wochenblatt)
Carl Kothe jr. Strumpf-Fabrik (gegr. 1881, Fabrikation wollener und baumwollener Strumfpwaren)
Edwin Busch Spezial-Fabrikation moderner Höhenförderer und Kartoffel-Sortiermaschinen Geringswalde i. Sa.
Emil Teichmann Stuhlfabrik mit Dampfbetrieb, Dittmannsdorf-Geringswalde (fabriziert als Spezialität: moderne Rohr-, Leder- und Armlehnstühle, Schreibsessel von einfachster bis vornehmster Ausführung)
Ernst Müller Bildhauerei und Steinmetzgeschäft (Anfertigung von Grabdenkmälern und Grabmonumenten in Granit, Syenit, Marmor und Sandstein, Grabeinfassungen und Erneuerungen, Bildhauerarbeiten an Neubauten)
Erwin Neumann Werkstatt für Kraftfahrzeuge, Geringswalde, Altgeringswalderstr. (Ersatzteile, Oele, Fette, Schmierdienst)
Fahrradhandlung von G. Albrecht, Geringswalde (Fahrräder beste deutsche Marken, Contireifen, Nähmaschinen, Zubehörteile, Reparaturen)
Geringswalder Bank (Stahlpanzer-Einrichtung mit Privat-Tresors, Wertpapierhandel, An- und Verkauf ausländischer Banknoten und Geldsorten, Einlösung von Kupons, Dividendenscheinen sowie Einziehung von Effekten, Auszahlen von Geldern nach allen Hauptplätzen der Welt, Annahme von Depositen- und Spar-Einlagen zur günstigen Verzinsung)
Geringswalder Holzhandelsgesellschaft H. Beer, Geringswalde-Hilmsdorf
Geringswalder Stuhlfabrik von August Ettig, Geringswalde (Inhaber: Reinhard Ehnert und Gerhard Ehnert, gegr. 1862, Hersteller kunstgewerblicher Sitzmöbel)
Geringswalder Tischfabrik Bernhard Hoffmann
Geringswalder Werkzeug- und Maschinenfabrik Karl Wünsch
Gustav Wünsch Fabrik erstklassiger Werkzeuge für die maschinelle Holzbearbeitung, Geringswalde (Werkzeugfabrik, Sägen und Fräsen)
Heinrich Waubke Fabrik feiner Möbelleder
H. Ettig & Söhne Stuhlfabrik, Sitzmöbel- und Tischfabriken, Geringswalde (gegr. 1864, auch: H. Ettig & Söhne Stuhl- und Sophagestell-Fabrik mit Dampfbetrieb; Stühle, Sessel, Tische, Polster- und Rohrgarnituren, "Ettig-Söhne-Wertarbeit", Schiffs- und Theatergestühl, Fabrikation aller Sorten Stühle, Sessel etc. in jeder Holz- und Stil-Art, Spezialität: bessere Rohr- und Lederstühle)
Johannes Spanier Sitzmöbel, Drechslerarbeiten, Bildhauerarbeiten
Johannes Stupe Buchbinderei Geringswalde
Karl Wünsch Geringswalder Werkzeugfabrik, Geringswalde (gegr. 1870, Genauigkeits-Werkzeuge für Holzbearbeitungs-Maschinen)
Kürth & Bieber Stuhl- und Garnituren-Fabrik, Geringswalde (Dampfbetrieb, Spezialität: bessere Leder- und Salon-Sitzmöbel)
Kurt Schilling, Maßschneiderei für elegante Herren- und Damen-Garderobe
Kurt Winkler, Tischlermeister (Herstellung moderner Wohnungseinrichtungen sowie Einzelmöbel nach eigenen und gegebenen Entwürfen)
Max Richter Textilwaren Alt-Geringswalde
Max Thate Werkstätte moderner Sitzmöbel
Max Thomas & Sohn Geringswalde, Sachsen (Fabrik vornehmer Sitzmöbel, Spezialität: Schreibsessel)
Paul Schubert Nähmaschinen- und Fahrrad-Handlung, Reparatur-Werkstatt und Schleiferei, Geringswalde, Leipziger Str. 1 (Nähmaschinen, Spezialmaschinen für Haushalt, Gewerbe und Industrie, Nähmaschinen-Motoren, Nählicht, elektrische Artikel aller Art, Fahrrad-Ersatzteile und Zubehör, Wringmaschinen, Taschenlampen, Scheren usw.)
Porzellan-Manufaktur Max Stöbe, Geringswalde (gegr. 1893, Gebrauchs- und Zierporzellan, Geschenk-Artikel, eigene Malerei)
Restaurant "Zum Ratskeller" (direkt am Markt im neuerbauten Rathause, prächtige, heimelnde Lokalitäten! Erstes Familien- und Speise-Etablissement! Gut gepflegte Biere. Weine erster Firmen. Vorzügliche Küche)
Richard Claus Baumaterialien, Cementgeschäft (gegr. 1894, Lager für eiserne Öfen, Randkessel, Küchengussen, Dachfenster und Essenschieber, alle Sorten Drahtnägel, Lager für Träger, Säulen und Chamottewaren, großes Lager in Cementstücken)
Robert Beck Stuhl- und Sophagestell-Fabrik Geringswalde
Schlegel & Ulbricht Sitzmöbel-Fabrik Geringswalde (Anfertigung feinster Sitzmöbel in jeder Holz- und Stilart, Spezialität: moderne Fauteuilles, Hocker, Banquettes und Stühle mit und ohne Polster)
Städtische Elektrizitäts- und Wasserwerk Geringswalde
Stöbe & Diederich Porzellan-Malerei (Silber- und Gold-Decore, bunte Service und Devisentassen)
Stuhl- und Sophagestell-Fabrik Bemmann & Söhne (gegr. 1840)
Theodor Geilhufe Sitzmöbelfabrik Geringswalde in Sachsen (The GeGe, Stuhlbau, Fabrikation erstklassiger Sitzmöbel in jeder Holz- und Stilart)
Vereinigte Sitzmöbelindustrie Neuhausen, Werk Geringswalde
Verlag Max Priebs, Geringswalde
Walter Schlegel Möbelleder Geringswalde
Zigarren-Fabrik H. A. Krell (Inhaber: F. H. Thate)

Wirtschaft und Leben in Geringswalde vor 1945
Reichalda KG Parfümeriefabrik Geringswalde

Eintrag im Brockhaus-Lexikon von 1894
An der Nebenlinie Rochlitz-Waldheim der Sächsischen Staatsbahnen. Post, Telegraph. Fabrikation von Strümpfen, Chenilleartikeln, Cigarren, Stühlen, Schlauch- und Kattunweberei und Porzellanweberei.

Begriffslegende
Chenille = franz. "Raupe", samtartiges Flachgewebe, der Samtcharakter kommt von seitlich abstehenden Fäden
Fauteuil = französisch "Lehnstuhl, Armsessel"

Quellen
picclick.de