Ostrau ist landwirtschaftlich geprägt, kein Industriestandort. Das spannendste Artefakt hat daher auch keinen wirtschaftlichen, sondern einen politischen Bezug. Es geht um die DDR und ihr Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Das MfS betrieb ganz in Geheimhaltungsmanier auch für die Bezirksverwaltung Halle eine Ausweichführungsstelle genau da, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.
Ausweichführungsstelle (AFSt) "Fasan" in Werderthau/Ostrau (Stasi-Bunker)
Im Juni 2022 ist das Bunker-Areal an eine Eigentümergemeischaft übergegangen. Ende Oktober 2022 erreichte uns ein entsprechendes Schreiben mit der Bitte, darauf hinzuweisen. Da dem Patifakte-Projekt generell an der friedlichen Koexistenz gelegen ist, sind wir diesem Wunsch umgehend nachgekommen. Aus der Traum?
"Wir beabsichtigen, den Bunker zum Tag des offenen Denkmals im Rahmen einer Führung zugänglich zu machen. Interessenten können sich gern per E-Mail an uns wenden", so Jens Krautheim im Namen der neuen Bunkerbesitzer. Das Gelände solle einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden.
E-Mail-Adresse: jenskrautheim(at)gmx.de
Berichtsgrundlagen aus den Jahren 2011, 2013 und 2022: Am Ortsrand von Werderthau mitten in einem dichten Wald, auf der vielfach gewellten Erhebung namens Hoppberg und nahe einer alten Kiesgrube befand sich die betonierte Ausweichführungsstelle (AFüst) "Fasan" des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Die Stasi-Bezirksverwaltung Halle sollte das Objekt im Ernstfall nutzen.
Stand 2011 und 2013: Dass der DDR-Geheimdienst offenbar unter übersteigerten Angstpsychosen litt, zeigt die Anlage des Fuchsbaus, die sehr weitläufig und verwinkelt angelegt, gut getarnt und mit zahlreichen Notausstiegen versehen ist. In dem hinter verwinkelten Räumen, Kellern und auch elektronisch gesicherten, stählernen Schleusentüren am Ende eines über 20 Meter langen, verbogenen Ganges gelegenen Bunker, der über zwei gut getarnte breite Treppen von rechts und links erreichbar war, steht auch im Jahr 21 nach dem Ende der Ernstfallübung ein kriegstaugliches Wasseraufbereitungs- und Klimasystem deutscher und russischer Bauart. In den zwei Mal acht langen Kammern rechts und links eines doppelten Mittelganges sowie den ringsum angegliederten Räumen für Toiletten und Versorgungstechnik gibt es nur noch Reste der Ausrüstung. Schrottdiebe haben wenig übrig gelassen. An den teilweise mit faustdicken, gekreuzten Vierkantstahlträgern gesicherten Stahlbetondecken hängen Tropfen. In den Kellern steht zum Teil Wasser, der Bunker aber ist noch immer trocken. Schon weitgehend überwuchert und zugemüllt sind die vier größeren, überirdischen Gebäude unter und hinter denen sich die unterirdische Stasizentrale erstreckt. Die Betonpfähle des einst weiträumig mit Maschendraht abgesperrten Areals stehen noch. Nur ein kurzes Stück Maschendraht hat die vielen Jahre überstanden. Es trennt die oberirdisch bebaute Fläche vom Bunker. Von den einstigen Maulwurfarbeiten der Baubrigaden künden nur verräterische, mit Gras und Moos begrünte Aufbauten - Notausstiege und Belüftungsschächte.
1968 bis 1973 wurde das erste Mal gebaut und in den 1980er Jahren die Technik teilweise modernisiert, wie ein Typenschild an der Wasseraufbereitungsanlage beweist. Das Objekt sah zu DDR-Zeiten aus wie Obst-Plantage, wurde aber laut Stasi-Unterlagen offiziell als "Notwasserversorgungseinrichtung" bezeichnet. Dass sich unter den Gewächshäusern des Areals Bunkerzugänge befanden, war ein gut gehütetes Geheimnis. Im Ernst- oder Krisenfall sollten Partei-, Staats- und Sicherheitsorgane der DDR Ausweichquartiere beziehen, von wo aus sie ungestört weiter arbeiten könnten. Für Halle befanden sich weitere Objekte in Neutz-Lettewitz, Rothenburg/Saale, Wettin, Landsberg, Merbitz und Beesenstedt.
Im Herbst 1989 war der Krisenfall da, aber er verlief ganz anders als geplant und endete mit der Auflösung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und der Stasi. Anfang 1990 beantragten unter anderem der Großhandel des Bezirkes Halle, der Rat der Gemeinde Ostrau und der VEB Natursteinkombinat Halle, das Gelände nutzen zu können. Letztlich übernahm des Bundesvermögensanstalt das Stasi-Objekt. Der Bund verwaltete in der Regel alle militärischen und staatlichen Anlagen der DDR. Viele wurden abgerissen oder verkauft, doch Ostrau wurde offenbar lange vergessen und aufgegeben. Denn es gab bis 2022 keinerlei Zutrittsverbote oder Absperrungen. So kamen oft Neugierige, darunter auch Freunde des Geocaching (moderne Schatzsuche mit GPS).
architektonischer Aufbau des Objekts
zwei Wohnhäuser, Garagen, Werkstatt, Tanklager
Stichpunkte zur technischen Ausrüstung der Anlage
Wofatit = Wolfener Farbenfabrik Permutit-Ersatz
Dieser Kunstharz-Ionenaustauscher wurde erstmals in den 1930er Jahren bei I.G. Farben in Bitterfeld hergestellt. Er dient der Aufbereitung von Trink- und Brauchwasser.
Warmwasserbehälter vom Behälterbau Neuruppin, Baujahr 1982
VEB Kombinat Nagema, Behälter- und Maschinenbau Mittweida, Baujahr 1974
VEB Nachrichtenelektronik Greifswald
VEB Elektro-Apparate-Werke Berlin-Treptow (EAW)
VEB Gerätewerk Karl-Marx-Stadt
Fernkabel SonderOrtsKabel (SOK) = Stabsnetz der Partei- und Staatsführung der DDR und der bewaffneten Organe laut Beschluss von 1977
mehr zur Fasan-Anlage
sehr interessante PDF-Datei über Stasi-Sperrgebiete