Schwarza (Thüringen)

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
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letzte Änderung: 05.10.2021

Die Schwarza ist ein 53 Kilometer langer Nebenfluss der Saale und zugleich eine Stadt an diesem Fluss. Die Schwarza war einst reich an Goldsedimenten. Im Mittelalter blühte die Goldwäscherei. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde erneut gewaschen und in kleinen Tagebauen ergraben.

Bremer Hof (Abriss 2015)

Bremer Hof, Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

Der Fuhrmann Friedrich Andreas Franke, der diverse Waren von Schwarza bis nach Bremen schaffte, darunter Holz und Brot, und von dort Fisch und Waren aus Übersee nach Schwarza brachte, ließ 1828 neben seinem Elternhaus den Gasthof "Bremer Hof" errichten. Bier wurde in der Kutscherkneipe anders, als damals noch allgemein üblich, nicht gebraut, sondern herangeschafft. 1921 wurde der "Bremer Hof" um Kegelbahn und Tanzsaal erweitert. Das Gast- und Pensionshaus "Bremer Hof" warb dereinst mit der Aufschrift "Spezialausschank Pörzbiere", bot also Biere aus der Pörze im nahen Rudolstadt feil.

Goldener Löwe

Goldener Loewe, Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

"G.G.Z.S. 1533, Siegel der Gemeinde zu Schwarza 1612, Renovatium 1752, 1863" steht auf dem Wappenstein am Eingang des Hauses. Das Kürzel GGZS steht für Graf Günther zu Schwarzburg, dem einstigen Herren der Region.

Mittlerer Siedelhof

Mittlerer Siedelhof, Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014
verwitterter Wappenstein: 1595

Im Mittleren Siedelhof sind zwei Jahreszahlen zu finden: 1595 (straßenseitig am Gemäuer unter drei verwitterten Wappen) und 1810 (über einem Seitenportal hofseitig). Der Landtagsabgeordnete von Schwarzburg-Rudolstadt Franz Friedrich Eduard Mackeldey (1816 - 1868) wird im Archivportal Thüringen mit dem Titel Herr auf Schwarza als Besitzer des unteren und mittleren Siedelhofes und Besitzer der Schwarzaer Mühle genannt. Siedelhöfe waren Bauernhöfe, die keine Frondienste zu leisten hatten. Sie nahmen eine Mittelstellung zwischen Ritter- und Bauerngütern ein.

Nestlermühle

Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

Der Mühlenstandort ist Jahrhunderte alt. 1886 kam die Mühle von der verstrittenen Familie Hiller in die Hände von Max Nestler. 1907 entstand das nach dem Ende der DDR (1990) sanierte, heutige Gebäude. 1919 setzte Sohn Werner Nestler den Betrieb fort. 1967 übernahm Klaus Nestler die Leitung.

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Fachwerkhaus der ehemaligen Richterschen Fabrik (Darre)

Fachwerkhaus der ehemaligen Richterschen Fabrik, Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

Auf den Feldern von Schwarza wuchs Tabak einst "wie Unkraut", sagen Einheimische. Getrocknet wurde das Rauchkraut in Darren. Eine solche Darre ist erhalten geblieben, wurde saniert und steht unter Denkmalschutz.

Denkmal des Chemiearbeiters (Reste der alten Zellwollfabrik)

Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

Aus den Resten der Fassade der 1997 abgerissenen Zellwollfabrik wurde 1999 das Chemiedenkmal errichtet. Zu sehen sind zwei kräftige Burschen, der ein trägt eine Axt, der andere ein Zahnrad. Beide haben die Werkzeuge in Tuch gewickelt. Die Axt steht symbolisch für das zur Zellwolle-Herstellung benötigte Holz, das Zahnrad für die maschinelle Weiterverarbeitung. Die Zellwolle ist ein synthetisches Konkurrenzprodukt zur Baumwolle.

VEB Chemiefaserwerk "Wilhelm Pieck" Schwarza (CFW; CFK, Stammbetrieb, 1935 als Zellwolle AG gegr.)

Chemiefaserwerk, Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

Zellwolle ist eine halbsynthetische Faser, die auf der Basis von Zellulose hergestellt wird. 1936 beschloss die NS-Führung des Deutschen Reiches, die Autarkie des Reiches bei Kunst- und Ersatzstoffen wie Zellwolle und Buna (synthetischer Kautschuk) intensiv voranzutreiben. Der deutsche Reichskanzler Adolf Hitler betonte die Bedeutung dieses Schrittes und erklärte zur Begründung, dass die Erweiterung des Lebensraumes sowie der Rohstoff- und Ernährungslage des deutschen Volkes zwangsläufig zu Konflikten führen wird und die deutsche Wirtschaft daher in vier Jahren kriegsfähig sein muss. Die Grundsteinlegung für das Zellwolle-Werk in Schwarza erfolgte bereits 1935 im Beisein von Thüringens Gauleiter Fritz Sauckel. Man produzierte vor allem Stoffe für Fallschirmseide und Militärbekleidung. Dabei kam das von der IG Farben zuvor nur getestete Lanusa-Verfahren (Viskose-Herstellung) in spezifizierter Form (Telusa-Faser) erstmals großtechnisch zum Einsatz. Die Vorarbeit hatte seit 1919 die Köln-Rottweil AG (Vistra) geleitet. Im Mai 1939 konnte die die "Thüringische Zellwolle Aktiengesellschaft, Schwarza a. d. Saale", schließlich stolz erklären, dass der "Führer" ihre Betriebsstätte mit der goldenen Fahne ausgezeichnet hat. Die Zellwolle AG aus Thüringen übernahm die führende Rolle in der deutschen Zellwolleindustrie, die sich im Zellwolle-Ring zusammengeschlossen hatte. Das galt auch, als Österreich 1938 als Ostmark an das Deutsche Reich angeschlossen wurde. Ab 1940 kamen Zwangsarbeiter zum Einsatz: Polen, Franzosen und Belgier. Bis 1942 wurden in Schwarza Anlagen zur Herstellung von Schwefelsäure und Schwefelkohlenstoff errichtet. Danach begann der Aufbau von Anlagen zur Formaldehyd und Nebelsäure sowie einer Versuchsanlage für Perlon-Cord-Seide. Das Unternehmen wurde 1948 verstaatlicht. Die Alteigentümer gingen nach Gronau (Westfalen). Ab 1950 hieß der Betrieb VEB Thüringisches Kunstfaserwerk "Wilhelm Pieck" und produzierte bereits im selben Jahr die ersten Meter Dederon (im Westen als Perlon bekannt). 1954 und 1963 entstanden zwei weitere Dederon-Anlagen. Dederon wurde unter anderem für Strümpfhosen, Kittelschürzen und Einkaufsbeutel gebraucht. Seit 1963 hieß das Unternehmen VEB Chemiefaserwerk "Wilhelm Pieck" Schwarza. Das Objekt wurde ständig erweitert. Nach einer Poliklinik 1948 und einem Betriebskindergarten (1951) folgte 1972 eine Werksspeisung. Auf dem Gelände entstand zudem eine Einrichtung der Textil- und Kunststoffforschung. 1970 war die Kombinatsgründung vollzogen. Fortan war vom Chemiefaserkombinats Schwarza "Wilhelm Pieck" die Rede. In Schwarza befand sich der Stammbetrieb des Kombinats (Sitz Rudolstadt). zum Kombinat gehörten am Ende zehn weitere Betriebe. Ende der 80er Jahre arbeiteten im Chemiefaserwerk (CFW) Schwarza 6000 Menschen. Mit der Wende 1989/90 in der DDR kamen große Veränderungen. Im Mai 1990 war die Bildung der Thüringischen Faser AG bereits beschlossene Sache. Nach der Privatisierung 1991 mit 1200 Mitarbeitern (Verkauf durch die Treuhand an Sanjay und Anurak Dalmia, Dalmia-Gruppe Indien) kam 1993 das Ende für das alte CFW, dabei hatten die Inder versprochen, 150 Millionen D-Mark investieren zu wollen. Am Ende waren es 500.000 D-Mark bei einem Kaufpreis von einer symbolischen D-Mark. Im Juni wurden drei Manager in Berlin festgenommen: Vorwurf: Untreue und Betrug. Es ging um neun Millionen D-Mark. Die Treuhand hatte indes 450 Millionen D-Mark versenkt. Treuhand-Vorstand Klaus Schucht sah sich dem Vorwurf gegenüber, dass sein Haus den Verkauf zuvor nicht ordentlich geprüft hat.

Am Eingang des 1954 gegründeten Instituts für Textiltechnologie der Chemiefasern (ITC), das seit 1991 als Thüringisches Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK, An-Institut der Universität Jena) arbeitet, befindet sich ein Email-Mosaik mit Bildern der Textilbranche. Zu sehen sind Spindeln, Zwirnspulen, Schiffchen, Mikroskop, Erlenmeyerkolben, Schere, chemische Substanzen und Bunsenbrenner. Das Institut forschte zu DDR-Zeiten primär am Polyamid. Neben Dederon wurden die Fasern Polyacrylnitril und Polyester/Elastan entwickelt. 1959 startete die DDR das Chemiefaserprogramm. Neben Polyacrylnitril und Polyester ging es dabei auch um Reifencord, Zwirngewebe für die Reifenherstellung der Automobilindustrie. Von 1954 bis 1969 wurden schrittweise Institutsbauten errichtet. 1970 wurde das ITC in das neugegründete Chemiefaserkombinat integriert. Zu dem Zeitpunkt stellte das Kombinat folgende Produkte her: die Polyamid(grob)seide DEDERON, das Polyamidregranulat SCHWARZAMID, das Polyestergranulat GRISUTEN und die Viskosefaser REGAN. Später kamen hinzu die Modalfaser REGAN SUPER, Polyoxadiazol-Faserstoffe, ALCERU, Foliefaserstoffe, Polyesterlichtleitkabel GRINIFIL, der beflockte Fußbodenbelag TELOSA und Digitalpresstampons. Von 1970 bis 1990 arbeiteten im Chemiefaserkombinat CFK Schwarza (Wappen: Spinzel und Erlenmeyerkolben im Benzolring) nacheinander sechs Forschungsdirektionen. In dieser Zeit kam der Konsumgüterproduktion eine wachsende Bedeutung zu.

Der VEB Chemiefaserkombinat Schwarza mit Betriebsteilen in Schwarza, Guben, Premnitz, Finowtal, Elsterberg, Pirna, Plauen, Gröbzig, Glauchau und Wittenberge hatte 1989 insgesamt 29.161 Beschätigte und produzierte Waren im Wert von 5,475 Milliarden Ost-Mark.

Betriebe in der DDR (1949-1990)
VEB Chemiefaserkombinat Schwarza
VEB Hartmetallwerkzeuge Schwarza
Milchhof Schwarza (Ostthüringer Molkereikombinat)
VEB Möbelbau Rudolstadt-Schwarza
VEB Spezialwerkzeuge Schwarza

Wirtschaft und Leben in Schwarza vor 1945
Bremer Hof
Gussstahlkugel-Fabrik Schwarza (Gussstahlkugeln aus feinstem Tiegel-Gussstahl)
Nestlermühle
Oscar Minner Rundstabfabrik Schwarza-Saalbahn
Richtersche Fabrik
Thüringische Zellwolle AG (gegr. 1936, im Jahr zuvor als Thüringische Spinnfaser AG begonnen, Beteiligungen unter anderem an der Spinnstoff-Gesellschaft mbH in Cottbus, der Solanum GmbH in Riesa, an der Pfännerschaft Bad Frankenhausen und an der Zellwolle- und Kunstseide-Ring GmbH in Berlin)

Eintrag im Brockhaus-Lexikon von 1895
An der Mündung des Flüßchens Schwarza in die Saale, den Linien Großheringen-Saalfeld und der Nebenlinie Schwarza-Blankenburg der Saaleisenbahn. Postagentur, Telegraph. Cigarrenfabrik, Sägemühlen, Gerberei, Gemüsebau und Holzhandel.

Quellen
Heimatverein Blaulicht Schwarza/Saale e. V.
thueringen-universal.de
archive-in-thueringen.de
ta-treuhand.de